Sie kennen diesen Titel vielleicht aus der Literatur – in den letzten Jahren wird jedoch vielfach über die Entdeckung der Geschwindigkeitsreduktion auf der Straße diskutiert. Für viele eine Neuentdeckung spricht sich etwa Hermann Knoflacher – Prof. emeritus der TU Wien, an der er als Verkehrsplaner tätig war – seit mehr als 50 Jahren für eine Verringerung der Geschwindigkeit aus. Vor allem was das Tempo im Ortsgebiet betrifft hat er gemeinsam mit Wissenschaftlern aus anderen Fachgebieten nachgewiesen, dass die Sinnesleistung des Menschen auf Tempo 30 optimiert ist. Bis zu dieser Geschwindigkeit können wir Informationen noch verarbeiten. Bei allem, was darüber hinausgeht verlängert sich unsere Reaktionszeiten enorm. Daher ist Tempo 30 im Ort in aller erster Linie eine massive Sicherheitserhöhung.
Auch bei uns in Furth wird über Geschwindigkeiten diskutiert. Das erst zu Sommerbeginn umgesetzte Verkehrskonzept geht vielen Bürger:innen nicht weit genug – vor allem jenen, die an jenen Gemeindestraßen wohnen, die aus der Tempe 30-Zone aktuell ausgespart bleiben. Sie haben sicher von dem Initiativantrag gehört oder gelesen – oder sogar mitunterzeichnet – der dazu auf dem Gemeindeamt eingelangt ist. Ca. 150 Menschen fordern darin eine Ausweitung der Zone auf die verbleibenden Gemeindestraßen in Furth und Palt. Im Herbst soll sich damit nun eine überparteiliche Arbeitsgruppe gemeinsam mit Betroffenen austauschen.
Uns ist bewusst, dass diese Frage vielfach sehr emotional diskutiert wird. Vielfach liegen den jeweiligen Meinungen keine Fakten zugrunde sondern rein persönliche Empfindungen. Wir möchten hier einige Argumente aufgreifen, die man vor allem von jener Seite hört, die für ein Beibehalten von Tempo 50 sind. Das Umweltbundesamt Deutschland hat bereits im Jahr 2016 genau diese Argumente aufgegriffen und dazu eine der wenigen verfügbaren Studien gemacht, die aber seht gute Antworten auf diese Fragen gibt.
Folgende Erläuterungen stammen allesamt aus diesem Forschungsprojekt:
• Halten sich Autofahrende auf einer breiten Hauptverkehrsstraße überhaupt an Tempo 30? Noch dazu, wenn das nicht rigoros kontrolliert wird?
Die Antwort darauf laut Studie ist ein eindeutiges JA! Selbst ohne Begleitmaßnahmen (bauliche Reduktion der Straßenbreite, regelmäßige Kontrolle der Geschwindigkeit,..) nimmt die durchschnittliche Geschwindigkeit in einer neu verordneten Tempo 30 Zone um 16km/h ab! Mit Geschwindigkeitskontrollen sind es 18km/h – der Unterschied hier ist also marginal. Am stärksten sinken die Spitzengeschwindigkeiten – d.h, Rasende werden am meisten eingebremst.
• Verursacht Tempo 30 nicht volkswirtschaftliche Kosten durch längere Fahrzeiten?
Rein rechnerisch gemessen, verlängert sich die Fahrzeit im Unterschied zu Tempo 50 um max. 4 Sekunden pro 100m. In der Praxis wird dieser Wert allerdings nie erreicht. Ganz andere Faktoren tragen viel eher zu einer Verlängerung der Fahrzeit bei. Die Studie hat ihre Messungen in deutschen Städten durchgeführt, wo etwa Ampelschaltungen etc. viel mehr Einfluss auf die Durchfahrtszeit haben. Auf die betroffenen Straßenzüge in Furth/Palt kann man das so herunterbrechen: Wartezeiten an den Engstellen in Palt oder bei den beiden Bahnschranken verzögern die Fahrzeit um ein Vielfaches. Auch das Abwarten von aus Einfahrten biegenden Fahrzeugen benötigt schon viel mehr Zeit. Die Reduktion würde hier nur ein individuelles Gefühl des Langsamer seins bewirken – Messungen von mehreren Fahrten im Durchschnitt würden keinen Unterschied ergeben. Volkswirtschaftlich fällt dies also nicht ins Gewicht und schon gar nicht, was persönliche Reisezeiten etwa zur Arbeit etc. betrifft.
• Sind Fahrzeuge bei 30 km/h nicht ähnlich laut, weil sie mit einem höheren Gang fahren?
Messungen zeigen, dass bei Tempo 30 wesentlich weniger Pegelschwankungen auftreten – es muss weniger abrupt abgebremst werden und dementsprechend auch weniger beschleunigt werden. Der maximale Vorbeifahrtspegel sinkt um 6 dB. Dies ist eine Reduktion, die für das menschliche Ohr sich etwa wie eine Halbierung des Verkehrs anfühlt. Anm.: e-Autos und Automatik vermehrt!!!
• Führt Tempo 30 zu einem höheren Schadstoffausstoß, weil Fahrzeuge mit höheren Drehzahlen und häufigeren Beschleunigungen unterwegs sind?
Obige Messergebnisse beantworten auch schon diese Frage im Grunde schon. Es gibt dazu wenige empirische Untersuchungen, aber die, die es gibt, weisen eine leichte Abnahme der Luftschadstoffe nach Einführung von Tempo 30 nach.
• Lässt die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführenden durch das langsame Fahren auf breiten Straßen nicht nach, sodass die Unfallgefahr steigt?
Unfallzahl und Unfallschwere nehmen schon allein wegen der physikalischen Zusammenhänge grundsätzlich mit sinkender Geschwindigkeit ab. Wo der Bremsweg eines Fahrzeuges bei Tempo 50 gerade erst beginnt, steht ein mit Tempo 30 gelenktes Fahrzeug bereits. Das bedeutet, dass ein Fahrzeug bei Tempo 30 bereits steht, während ein Fahrzeug mit Tempo 50 immer noch mit unverändert 50km/h unterwegs ist. (siehe Grafik)
Hinzu kommt die oben bereits auch von Knoflacher schon erwähnte Tatsache, auf die sich auch diese Stude bezieht, dass Verkehrsteilnehmende bei niedrigen Geschwindigkeiten deutlich mehr Details des Verkehrsraums wahrnehmen und somit früher reagieren können.
• Suchen nicht viele Autofahrende Schleichwege durch Nebenstraßen, wenn an der Hauptstraße Tempo 30 gilt?
Die Studie zeigt, dass die geringen zu erwartenden Reisezeitverluste, eine gute Verkehrsflüssigkeit sowie die in den Nebenstraßen ohnehin vielfach vorhandenen Tempo 30-Zonen mit geltender Rechtsregel in den allermeisten Fällen das Benutzen unerwünschter Schleichwege verhindert.
Nachdem es bei uns jetzt eben diese Tempo 30 Zonen auf allen Nebenstraßen gibt, ist eine Verkehrsverlagerung nicht zu befürchten. Ganz im Gegenteil: aktuell wird die Durchfahrt durch Palt immer noch von vielen ortsfremden Fahrzeugen genutzt. Nicht zuletzt das Bundesheer fährt trotz existierender Umfahrungsstraße immer noch durch Palt durch. Ebenso ist das vom Vizebürgermeister angekündigte LKW-Durchfahrsverbot noch nicht ausverhandelt. Tempo 30 würde vermutlich einen Großteil dieser Transitfahrten verhindern – solange die Fahrzeugführenden nicht obige Argumente lesen und merken, dass es ohnehin keinen Nachteil für sie hätte. Aber dieses Wissen lassen wir dann schön unter uns. 😉
Vielleicht gibt es noch mehr Argumente, die gegen Tempo 30 im Ortsgebiet vorgebracht werden. In der Diskussion bei uns im Ort und im Gemeinderat (wobei man sich dort leider ungern Zeit zum Diskutieren nimmt) sind es genau jene, die immer wieder auftauchen.
Eine neue Studie der Universität von Athen aus 2024, die 40 Städte in ganz Europa untersucht haben, bestätigt alle oben angeführten Argumente. Sie geben an, dass sich die Anzahl der Unfälle um 23%, jene der Verkehrstoten sogar um 37% reduziert, die der Verletzten um 38%. Gleichzeitig gingen die Abgase um 18% zurück, der Spritverbrauch reduzierte sich um 7%. Fazit: Tempo 30 bringt nur Vorteile, rettet Leben, schützt die Gesundheit und trägt zu einem lebenswerteren Ort bei.
Worauf wartet man eigentlich noch?
„Aber bei uns in Furth ist doch noch kaum was Schlimmes passiert?“ – hört man dann auch noch manchmal. Wir sind der Meinung: Darauf wollen wir erst gar nicht warten! So ein tragisches Ereignis kann aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse einfach verhindert werden! Das ist unsere Aufgabe!
Hier können sie beide Studien nachlesen:
Studie des Umweltbundesamtes D (2016)
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen_von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdf
Studie der Universität von Athen (2024) (englisch)
https://irfnet.ch/2024/07/25/ntua-publishes-the-first-ever-review-of-city-wide-30-km-h-speed-limit-benefits-in-europe/
Kommentar: GGR MICHAELA MAYER
Datum der Veröffentlichung: 18.08.2024
Foto: © Stockhausen/Adobe Stock